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01/10/2021Neurostress & Burnout – Mit den Nerven am Ende
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"Wer wird denn gleich in die Luft gehen ...?"
Wer sich noch an diesen berühmten Satz aus der Zigarettenwerbung vor über 50 Jahren erinnert, schmunzelt bestimmt über das kleine cholerische Männchen, dem regelmäßig die Nerven durchgegangen sind und das nur mit einer passenden Zigarettensorte zu beruhigen war.
Heutzutage gibt es leider nicht mehr viel zu lachen, da Stresserkrankungen im Medizinbereich mittlerweile ganz weit nach oben gerückt sind und Millionen von Menschen betreffen. Die Auswirkungen und gesundheitlichen Folgen von chronischem Stress haben enorm zugenommen und können sich in nahezu allen Bereichen des Körpers und der Psyche niederschlagen. Auch deswegen ist es anfangs nicht leicht, eine Stresserkrankung als die eigentliche Ursache zahlreicher Symptome oder verschiedener Krankheitsbilder zu diagnostizieren. Viele Mediziner betrachten mittlerweile chronischen Stress und die damit verbundenen Erschöpfungsdepressionen als das größte Krankheitsproblem unseres Jahrhunderts. Wie können wir Neurostress rechtzeitig erkennen, was sind seine Ursachen und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Was ist Neurostress?
Beginnen wir kurz mit dem Begriff "Stress", der oft missverständlich benutzt wird. Stress stammt von dem lateinischen Wort stringere ab, welches Anspannung bedeutet. In der Physik bedeutet Stress die Veränderung einer Substanz durch eine äußere Krafteinwirkung.
Der Mediziner Hans Seyle übertrug 1936 dieses Prinzip auf die Physiologie von Tieren und Menschen: Zuerst eine sinnliche Wahrnehmung eines spezifischen Reizes, dann die nervale Weiterleitung des Reizes und anschließend die Reizantwort durch die Aktivierung und Ausschüttung bestimmter biochemischer Substanzen. In der gegenwärtigen Definition werden die Reizeinwirkungen als Stressoren und die dadurch ausgelösten Reaktionen als Stressantwort bezeichnet.
Neurostress bedeutet in diesem Zusammenhang ein anhaltendes Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen biochemischen Botenstoffen (Neurotransmitter und Hormone) des Nervensystems mit gravierenden Folgen für den Organismus. Dieses Ungleichgewicht besitzt darüber hinaus auch direkte oder indirekte Auswirkungen auf das Hormonsystem und das Immunsystem. Hier spricht man auch von der Psychoneuroendokrinologie, die zu einem großen wissenschaftlichen Forschungsgebiet geworden ist.
Da das Nervensystem, das Hormonsystem sowie das Immunsystem sehr eng und auf eine äußerst komplexe Weise verbunden sind, hat ein dauerhafter Neurostress einen enormen Einfluss auf fast alle Bereiche des Körpers und der Psyche. Die dadurch ausgelösten Störungen und verschiedenen Symptome können sich auf allen Ebenen des Organismus zeigen.
Durch die enge Interaktion zwischen dem Zentralnervensystem, dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem (vegetatives, autonomes Nervensystem), dem metabolischen System (Stoffwechselsystem) und den endokrinen Organen der Stresshormonachse, wie beispielsweise der Schilddrüse und der Nebennieren, sind eine große Anzahl von fein abgestimmten Regulationsmechanismen bei anhaltendem Stress betroffen.
Anzeichen von Neurostress
Die Symptome und Krankheitsbilder, die aufgrund von neuroendokrinen Funktionsstörungen entstehen können, sind sehr zahlreich und abhängig von vielen individuellen Faktoren wie Alter, Vorerkrankungen, der Ernährung, der Lebensweise, den alltäglichen Belastungen etc.. Häufige Symptome, die einzeln oder kombiniert auftreten können, sind unter anderem:
- Erschöpfungsgefühl
- Müdigkeit und chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS)
- Schlafstörungen wie Schlaflosigkeit und Schlafsucht
- Frösteln
- Antriebslosigkeit
- Denkschwäche
- Vergesslichkeit
- Benommenheit und Schwindelgefühl
- Verwirrung
- Unruhezustände
- Nervosität
- Reizbarkeit
- ADS/ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom)
- Stimmungsschwankungen
- Depressionen
- Ängste
- Panikanfälle
- Psychosen
- Tinnitus und Hörsturz
- Anspannungsgefühl
- Spannungskopfschmerz
- Krämpfe
- "Restless-Legs"-Syndrom (unwillkürliche Zuckungen und Bewegungsimpulse)
- Hitzegefühle
- vermehrtes Schwitzen und Schweißausbrüche
- Herzrasen und Herzstolpern
- Beklemmungsgefühl
- Blutdruckstörungen (Hypertonie und Hypotonie)
- Atemnot
- Gewichtsveränderungen
- Verdauungsstörungen
- Reizdarmsyndrom (Colon irritabile)
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Esstörungen
- Schilddrüsenstörungen
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- Parästhesien (Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühle)
- Infektanfälligkeit
- Immunschwäche
- Allergien
- chronische Entzündungen
- Autoimmunerkrankungen
- Fibromyalgie
- Menstruationsstörungen/PMS
- Unfruchtbarkeit
- Neigung zu Fehlgeburten
- Impotenz
Diese Liste ist sehr lang und es können also sowohl unspezifische wie auch einzelne spezifische Symptome auftreten oder es entstehen sogar ganze Symptomenkomplexe, die anfangs nicht in Verbindung mit einer Neurostresserkrankung in Verbindung gebracht werden. So werden die betroffenen Patienten meist von Facharzt zu Facharzt geschickt und die eigentliche Störung bleibt lange Zeit unerkannt oder die Betroffenen werden in ihrem Leid nicht ernst genommen.
Tatsächlich ist anhaltender Neurostress häufig die Grundlage für eine Reihe von "bekannten" Erkrankungen, da ja vor allen Dingen auch das Hormon- und das Immunsystem in Mitleidenschaft gezogen werden. Glücklicherweise ist Neurostress mit entsprechenden Methoden gut diagnostizierbar und behandelbar, aber dazu kommen wir später.
Unsere wichtigsten Neurotransmitter
Werfen wir zuerst einen kurzen Blick auf die Biochemie unseres Nervensystems.
Die verschiedenen Neurotransmitter besitzen eine Schlüsselfunktion zum Verständnis und zur Behandlung von Neurostresserkrankungen. Neurotransmitter sind spezifische Moleküle, die von Nervenzellen als Botenstoffe zur Reizweiterleitung und Stimulation ausgeschüttet werden können, wenn ein Nervenimpuls die Zelle anregt hat.
Im Gegensatz zu einem elektrischen Nervenimpuls, wird auf diese Weise ein biochemischer Impuls zur Reizweiterleitung weitergegeben. Die freigesetzten Moleküle wandern dann zwischen einem kleinen Spalt (synaptischer Spalt) zu einer benachbarten Nervenzelle und setzen sich an die dafür vorgesehenen Rezeptoren und die Nervenzelle wird entweder angeregt oder auch gehemmt.
Neurotransmitter sind meist Aminosäuren oder so genannte biogene Amine, die von Aminosäuren abstammen. Aber auch bestimmte Neuropeptide oder sogar einfaches Stickoxid besitzen Neurotransmittereigenschaften. Einige Neurotransmitter sind zugleich auch Hormone und werden von Hormondrüsen produziert und ausgeschüttet.
Im zentralen Nervensystem (ZNS) existieren zwei Gruppen von Neurotransmitter, da unser angeborenes System der Selbstregulation immer um einen Ausgleich bemüht ist: Auf der einen Seite gibt es die anregenden und aktivierenden Botenstoffe und auf der anderen Seite die entspannenden und beruhigenden Neurotransmitter.
Anregende (exzitatorische) Neurotransmitter:
- Noradrenalin – Der wichtigste Botenstoff zur unmittelbaren Stressanpassung (Flucht-oder Angriffsreaktion). Noradrenalin wird im Gehirn (Locus caeruleus) und in den Nebennieren ausgeschüttet.
- Adrenalin – wird bei entsprechenden Stressreizen zur Anpassung des Herz-Kreislaufsystems und des Stoffwechsels in der Nebenniere und speziellen Neuronen des Gehirns ausgeschüttet.
- Dopamin – Ein als "Glückshormon" bezeichnetes biogenes Amin, das in verschiedenen Kernzentren des Gehirns ausgeschüttet wird. Dopamin wird auch gerne als "Kraftstoff des Gehirns" betrachtet, da es die Wachheit und Konzentration steigert. Dopamin hat eine deutliche psychogene Wirkung, weil es euphorisierend wirkt und als "Belohnungssubstanz" ausgeschüttet wird, was zu einem Suchtverhalten führen kann.
- Glutamat – L-Glutamat besitzt als exzitatorischer Neurotransmitter einen großen Einfluß auf die Gehirn- und Stoffwechselaktivität, da ca. 70 % der anregenden Impulse von einer Glutamatausschüttung ausgehen. L-Glutamat ist in vielen Gehirnarealen aktiv und ist ein wichtiger Neurotransmitter bei der Verarbeitung von Sinnesreizen, bei motorischen Funktionen, beim Muskelaufbau sowie bei Lern- und Gedächtnisleistungen. L-Glutamat und Glutaminverbindungen kommen natürlicherweise in vielen eiweisshaltigen Lebensmitteln vor und werden oft als Geschmacksverstärker in der Lebensmittelindustrie verwendet.
Dämpfende (inhibitorische) Neurotransmitter:
- Serotonin – Einer der wichtigsten zentralen Botenstoffe mit einem breiten Wirkungsspektrum. Serotonin hat einen sehr starken Einfluss auf den Schlaf, die Gedächtnisleistung, auf die Regulation der Körpertemperatur, auf den Energiehaushalt, auf die Darmtätigkeit, auf die Schmerzempfindlichkeit und auf das Verhalten. Es besitzt eine stimmungsaufhellende, entspannende sowie angstlösende Wirkung, weswegen es auch bei der Behandlung von Depressionen eine große Rolle spielt. Ein dauerhafter Serotoninmangel kann zu einer Reihe von körperlichen und psychischen Symptomen führen.
- GABA (Gamma-Aminobuttersäure) – Gemeinsam mit Serotinin ist GABA der wichtigste inhibitorische Neurotransmitter und bewirkt vorrangig die Hemmung von anregenden Neurotransmittern und Hormonen. GABA hilf dadurch bei der Beruhigung und Erholung von vorausgegangenen Stressreaktionen. Ähnlich wie Serotonin wirkt GABA muskelentspannend, angstlösend und schlaffördernd.
Unser Organismus versucht normalerweise die Ausschüttung, die Aufnahme und den Abbau dieser verschiedenen Neurotransmitter immer gut auszubalancieren, damit keine Störungen im Nervensystem entstehen und alle Sinnesreize gut verarbeitet werden können. Durch den einseitigen und dauerhaften Einfluss von Stressoren kann dieses Regulationssystem jedoch leicht aus dem Gleichgewicht geraten.
Die hormonelle Stressachse
Das zweite wichtige Regulationssystem, welches bei Stress aktiviert wird, ist die sogenannte endokrine Stressachse, bei der bestimmte Hormone aus dem Gehirn die Nebennieren anregen und den Körper in eine deutliche Aktivitätssteigerung versetzen. Diese biochemische Hormonachse verläuft über die Stationen Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde. Die Freisetzungshormone CRH (= Corticotropin-releasing Hormone) sowie ACTH (= Adrenocorticotropes Hormon) aus dem Gehirn bewirken, dass das Stresshormon Cortisol aus der Nebennierenrinde in das Blut agegeben wird.
Cortisol wird natürlicherweise in einem 24-Stunden-Rhythmus produziert und ausgeschüttet. In der Nacht findet die hauptsächliche Produktion von Cortisol statt und erreicht am frühen Morgen kurz nach dem Aufwachen ihr Maximum. Danach fällt die Cortisolkonzentration bis zum Mittag wieder schnell ab ("Mittagsschlafzeit") und sinkt dann im Laufe des Tages bis zum späten Abend allmählich immer weiter auf ein Minimum. Bei dauerhaftem Stress verändert sich diese Kurve phasenweise und dient als diagnostischer Hinweis für die Intensität der Stressbelastung.
Cortisol ist ein Steroidhormon (Glucocorticoid) der Nebennierenrinde und aktiviert bei bei ausreichender Ausschüttung den Stoffwechsel, um energiereiche Substanzen für den Organismus zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig dämpft es das Immunsystem und wirkt antientzündlich, weswegen es in der Medizin als (Hydro-)Cortison bei Allergien und überschießenden Immunreaktionen verwendet wird.
Eine dauerhafte und stressbedingte hohe Cortisolausschüttung, die zu einem Überschuss von Cortisol führt, hat schädigende Auswirkungen auf das Gehirn und Nervenzellen. Cortisol hemmt die Neubildung von Nervengewebe (Neurogenese), begünstigt die Zerstörung von Nervenzellen und führt zu bleibenden Schäden in bestimmten Hirnbereichen. Auch wird die Produktion von Serotonin und Geschlechtshormonen vermindert. Dauerhafter Stress macht dumm, krank und depressiv!
Deswegen ist in meiner Praxis häufig eine der ersten diagnostischen Maßnahmen, die Bestimmung der Cortisolausschüttung über einen Speicheltest. So lässt sich sehr leicht erkennen, ob die Cortisolproduktion und -ausschüttung noch in einem ausgeglichenen physiologischen Konzentrations- und Rhythmusbereich liegt, oder ob es sich schon zur einer deutlich verminderten und rhythmuserstarrten Ausschüttung hin entwickelt hat.
Durch diese Testung der rhythmischen Cortisolausschüttung kann man relativ leicht diagnostisch ablesen, ob die Nebennierenaktivität noch in einem physiologisch gesunden Bereich liegt oder ob sich durch chronische Stressbelastungen eine so genannte Nebennierenschwäche (Nebennierenmüdigkeit) entwickelt hat.
Nebennierenschwäche und Burnout
Die allmähliche Verminderung der Nebennierenaktivität durch chronischen Stress verhindert eine gesunde und dynamische Stressantwort des Organismus und beeinflusst deutlich die Aktivität des Hormon- und Immunsystems. Durch eine anhaltende Stressbelastung wird als eine natürliche Stressantwort anfangs eine relativ hohe Produktion und Ausschüttung von Cortisol und auch Adrenalin durch die Nebennieren veranlasst. Bleibt diese jedoch zu lange bestehen, wird dem Organismus signalisiert, er befindet sich in einer ständigen Notsituation, wodurch in Folge viele physiologische Prozesse beeinflusst werden.
So kommt es beispielsweise zu einer deutlichen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems oder auch zu einer reaktiven Gewichtszunahme, da der Organismus in Notzeiten versucht, ausreichend Energie bereitzustellen, aber gleichzeitig auch zu bewahren. Durch eine vermehrte Cortisol- und Adrenalinausschüttung steigt der Blutzuckerspiegel schnell an, um für eine Flucht-oder-Angriffssituation vorbereitet zu sein. Wird aber diese zur Verfügung gestellte Energie in einem entsprechenden Zeitraum nicht adäquat körperlich umgesetzt, kann sich daraus eine deutliche Gewichtszunahme entwickeln und auch eine Störung des Blutzuckerstoffwechsels entstehen.
Bleibt eine akute Stressbelastung über einen längeren Zeitraum dauerhaft bestehen und der Organismus ist dabei überfordert, die Ausschüttung der Stresshormone beständig auf einem hohen Niveau zu halten, versagt allmählich der hormonelle Regelkreis auf der Stressachse. Dies führt nach einer gewissen Latenzzeit zu einer immer geringeren Produktion und Ausschüttung von Cortisol und weiterer Stresshormone als Ausdruck einer Erschöpfung der Nebennierenaktivität. Dadurch entstehen die bekannten Symptome einer sogenannten Erschöpfungsdepression (Burnout), da der Organismus nicht mehr in der Lage ist, auf die täglichen (Stress-)Anforderungen angemessen zu reagieren.
Durch eine stressinduzierte Verminderung der Nebennierenaktivität ("Adrenal Fatigue") können sich chronische Erschöpfungszustände entwickeln und gleichzeitig kommt es meist zu einer deutlichen Schwäche der Immunaktivität mit einer Vielzahl von Symptomen und möglichen Krankheitsbildern. Außerdem werden durch das Ungleichgewicht des hormonellen Regelkreises weitere hormonaktive Drüsen und hormonabhängige Organe negativ beeinflusst. Insbesondere sind hierbei die Schilddrüsenaktivität und die Geschlechtsdrüsen (Fruchtbarkeit) betroffen.
Menschen, Tiere, Sensationen
Die physiologische Reizwahrnehmung, Reizweiterleitung sowie die damit verbundene Entwicklung von individuellen Nervensystemen, hat in der Evolution der Organismen über einen sehr langen Zeitraum stattgefunden. Jeder Organismus ist damit konfrontiert, innere und äußere Reize wahrzunehmen, sie zu verarbeiten und entsprechend seiner biologischen Möglichkeiten angemessen darauf zu reagieren. Spezifische Reize, die als Stressoren fungieren, können sehr unterschiedlich sein und somit auch vom jeweiligen Organismus unterschiedlich wahrgenommen und beantwortet werden.
Auch in der Evolution des Menschen hat sich ein vielschichtiges und komplexes System der Reizwahrnehmung und Reizbeantwortung entwickelt, welches nicht nur Teil einer natürlichen Funktion seines biologischen Systems darstellt, sondern vor allen Dingen in Belastungs- und Gefahrensituationen das Überleben sichern sollte.
Viele Stressoren, die vor Urzeiten auf den Menschen einwirkten und oft eine existenzielle Bedrohung auf Leben und Tod bedeuteten, stellen sich heute in völlig anderer Form dar. Waren es vor vielen Jahrtausenden beispielsweise der Tiger, die Vogelspinne oder eine Kobra, die eine evolutionär sinnvolle und instinktive Stressreaktion auslösten, sind es heute die anhaltenden Sorgen um den Verlust des Arbeitsplatzes, der tägliche Zeitdruck oder die massive Reizüberflutung durch Medien und elektronische Geräte.
Unser physiologisches Nerven- und Stresssystem hat sich ursprünglich in einem archaischen Lebens- und Umweltkontext entwickelt und war darauf angelegt, kurzfristig und unter einem hohen Energieaufwand, eine bedrohliche Situation optimal zu meistern. Die Stressoren, die heute auf den Menschen einwirken, sind jedoch viel subtiler, erscheinen auf den ersten Blick nicht sehr lebensbedrohlich und halten länger an. Jedoch sind sie in ihren negativen Auswirkungen auf unseren Organismus viel verheerender und nachhaltiger, als es uns meistens bewusst ist.
Da der Mensch im Vergleich zu anderen Lebewesen in einem hohen Maße ein Bewusstseins- und Empfindungswesen ist, können die negativen Auswirkungen schädlicher Reize auf das Nervensystem und den gesamten Organismus gar nicht hoch genug eingestuft werden. Deswegen ist es erforderlich, eine bewusste Wahrnehmung für diese Art von Belastungen und Stressoren zu entwickeln und ein individuelles "Stressmanagement" zu kreieren.
Die Neurostress-Therapie
Wie würde eine Behandlung und Therapie bei Stresserkrankungen aussehen? Zuerst steht natürlich die Reduktion der entsprechenden Stressoren und eine physiologische Stabilisierung im Vordergrund; auch das eben erwähnte individuelle Stressmanagement sollte eingesetzt werden. In meiner Praxis begegnen mir sehr viele Menschen, die häufig Stresssymptome und Stresserkrankungen aufgrund von sozialen Konflikten und Beziehungsstörungen entwickelt haben.
So leiden viele unter den Folgen von Mobbing, Ausgrenzung und Konkurrenzkämpfen in der Berufswelt, an Partnerschaftskonflikten und Familienstreitigkeiten, an den Folgen unerwiderte Liebe, Einsamkeit oder an der Überforderung aufgrund der eigenen hohen Ansprüche und dem Perfektionismus sich selbst gegenüber. Viele haben auch schon lange das Gespür gegenüber ihren eigenen Bedürfnissen verloren, kennen ihre eigenen Grenzen nicht gut und können sich auch nur schwer gegenüber den Anforderungen ihrer Umwelt angemessen abgrenzen.
Die "Alles-ist-möglich"-Mentalität unserer Zeit und unserer Kultur in Form einer äußerst pathologischen Leistungs- und Profitgesellschaft, bewirkt eine ständige Selbst-Überforderung und Fragmentierung des eigenen Wesens. Der Preis für ein auf Leistung, Erfolg und Selbstausbeutung ausgerichtetes Leben ist sehr hoch. Gesundheit ist jedoch unbezahlbar und dies wird vielen erst nach einer Burnout-Krise schmerzlich bewusst.
Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Also müssten sich die Betroffenen rechtzeitig auf einen tief greifenden Bewusstseinswandel einlassen und ihre Motive erforschen, warum sie sich so sehr den negativen Stressoren aussetzen und die dahinter liegenden destruktiven Verhaltens- und Denkmuster erkennen und aufbrechen.
Neben diesen wichtigen psycho- und verhaltenstherapeutischen Ansätzen gibt es zusätzlich die Möglichkeit, durch individuell ausgewählte Medikamente eine Behandlung von Neurostress-Erkrankungen effektiv zu unterstützen. Außer den vielen naturheilkundlichen Medikamenten und Verfahren aus der Homöopathie, Phytotherapie, Spagyrik oder der Anthroposophischen Medizin, können mittlerweile gut dosierte und verträgliche Präparate eingesetzt werden, die direkt auf der neurologischen Ebene wirksam sind und beispielsweise ein bestehendes physiologisches Ungleichgewicht von Neurotransmittern ausgleichen oder die Aktivität des Hormon- und Immunsystems positiv beeinflussen.
Dazu ist aber im Vorfeld eine gründliche Anamnese und eine entsprechende Diagnostik notwendig, um möglichst gezielt eine bestehende Neurostress-Erkrankung individuell zu behandeln.